Stadtgut Berlin-Buch

Vom Rittergut zum Künstlerhof

Nähert man sich Berlin-Buch und dem denkmalgeschützten Stadtgut, geschieht dies oft über Wege und Straßen, deren Namensgeber Protagonisten in der Geschichte der Hauptstadt sowie seines nördlichsten Stadtteils waren, dessen Ursprung das Stadtgut ist.

Exemplarisch genannt sei die Kreuzung Hobrechtsfelder Chaussee / Wiltbergstraße. Sie ehrt zwei der wichtigsten Personen, zwischen deren Leben und Wirken mehr als ein halbes Jahrtausend liegt: Einen der ersten Gutsbesitzer – Ritter Wiltberg um 1350 und Stadtbaurat James Hobrecht, der auf den Berliner Stadtgütern die Rieselfeldwirtschaft gemeinsam mit Rudolf Virchow von 1873 bis 1893 umsetzte.
Des weiteren sind hier der Röbell- , Pöllnitz- und Viereckweg zu nennen.

1342 bis 1897

Vom schlichten Rittergut zum bedeutenden Adelssitz

1342 findet sich die erste urkundliche Erwähnung des Gutes Buch als Rittergut in Verbindung mit dem Namen Arndt von Bredow. Weitere Besitzer in den folgenden Jahrhunderten waren die Familien Wiltberg, von Waldow und Schmetstorp. Von 1483 bis 1670 diente das Gut der Familie Röbell als Stammsitz, welche ein neues Haupthaus im Fachwerkstil errichten ließ.

Gerhard Bernhard Freiherr von Pölnitz erwarb 1669 das Gut. Das Landhaus wurde infolgedessen ausgebaut und ein Barockgarten nach holländischem Vorbild und Teichanlagen zur Fischzucht angelegt. Der Schlosspark gilt seither als ältester erhaltener Gutspark Berlins.

1742 wurde das Gut vom Geheimen Staatsrat Adam Otto von Viereck gekauft, welcher durch seine Karrierelaufbahn zuletzt bedeutenden Einfluss auf die Staatspolitik Preußen nehmen und zeitlebens dem König Friedrich Wilhelm I. eng verbunden blieb. Von 1731 bis 1735 ließ er nach Plänen Friedrich Wilhelm Dieterichs, welcher später u.a. den Weinberg von Sanssouci terrassiert und das Ephraim-Palais ausbaut, eine Kirche als barocken Zentralbau errichten. Gleichzeitig wurde auch das mittlerweile zum Schloss avancierte Haupthaus im barocken Stil umgebaut indem zwei Flügel und dem Ensemble eine Orangerie sowie Fasanerie zugefügt wurden. 1740 erfolgte der Bau des Pfarrhauses.

1761 erbte die älteste Tochter Amalie Ottilie gemeinsam mit ihrem Mann, dem Domprobst von Voß das Gut.

Als bedeutend in der Familiengeschichte gilt ihre Tochter Julie von Voß. Als Hofdame der Königin Elisabeth Christine wurde Sie die spätere Geliebte und morganatische Ehefrau des Kronprinzen Friedrich Wilhelm II. Nur ein Jahr später 1789 verstarb Sie jedoch an Tuberkulose und wurde im Schlosspark Buch beigesetzt. Der Kronprinz widmete sich zeitlebens weiteren zahlreichen amourösen Beziehung.

1860 führt Theodor Fontane seinen „Wanderungen durch die Mark“ nach Buch mit seinem historischen Charakter. Vor allem würdigt Fontane die Ahnengeschichte und bleibt nur mäßig beeindruckt von den historischen Gebäuden Buchs. Er nächtigte in dem, dem Stadtgut gegenüberliegenden, Schlosskrug.

1881 ließ Graf Gustav von Voß das Schloss noch einmal von dem Berliner Baumeister Ludwig Tietz im Stile der Zeit umbauen, indem dieses aufgestockt und die Seitenflügel erweitert wurden. Zudem modernisierte er das Gut fortschrittliche entsprechend der Zeit. Sein Bruder, Graf Georg von Voß, verkauft schließlich das komplette Anwesen mit Schloss, Park, und dem Gutshof inklusive Ackerbau und Viehzucht. Er wollte nicht in Buch heimisch werdem und die Geschichte des Gutshof als Sitz preußischen Adels verblasst vehement.

1898 bis 1981

Die wechselhafte Geschichte des Gutes im 20. Jahrhundert

1898 erwirbt der Berliner Magistrat das Ensemble mit 285 Hektar für 3,5 Mio. Mark. Auf den zugewonnen Freiflächen wurden u.a. die von Rudolph Virchow angeregte und vom Stadtbaurat James Hobrecht umgesetzte Rieselfeldwirtschaft, die für damalige Verhältnisse modernsten Stadtentwässerungssystem, realisiert. Berlin erhielt dadurch die seinerzeit fortschrittlichste Entwässerung und Kanalisation, was es zur saubersten Stadt der Welt Anfang des 20. Jahrhunderts machte.

Auf anderen, ehemals zur Schlossanlage gehörenden Flächen, wurde im gleichen Jahr mit dem von Stadtbaurat und Architekt Ludwig Hoffmann entworfenem Bau des Krankenhauskomplexes Bucher Kliniken und weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen, Wohn- und Verwaltungsgebäuden begonnen. Die noch für landwirtschaftliche Zwecke nutzbaren Flächen dienten zur Sicherung der Grundversorgung mit Nahrungsmitteln und der Gutshof wurde zum Stadtgut-Buch. Schon damals galt Buch somit als ein bedeutender Gesundheitsstandort Berlins.

1906 wurde der Schlosspark der Öffentlichkeit zugänglich gemacht sowie das Bucher Schloss saniert, welches bis 1920 den Berliner Oberbürgermeistern als Sommersitz weiterhin dienen sollte.

Von 1928 bis 1945 lebten 650 Obdachlose und später osteuropäische Zwangsarbeiter auf dem Gutshof, welche in umliegenden Land- und Forstbetrieben ausgebeutet wurden.

Am 18.November 1943 wurden die Schlosskirche, Scheune und weitere Gebäude durch einen Bombenabwurf schwer beschädigt.

1945 beanspruchte die sowjetische Kommandantur für 2 Jahre den Hof und verwaltet diesen. Das Gutshaus und die Brennerei dienen Ihnen als Unterkunft

Von 1945 bis 1949 diente das Gesindehaus auf dem Stadtgut als Außenstelle des Frauengefängnis Barnimstr. und anschließend als ledigen Wohnheim.

1947 wurde das Stadtgut Buch dem Berliner Magistrat wieder übergeben und ab 1949 in ein Volkseigenes Gut umgewandelt und in letzter Nutzung dann zum Lagerplatz.

1955 wurde die Orangerie abgerissen und 1964 erfolgte die Sprengung des als Kinderheim genutzten Schlosses, da die finanziellen Mittel zur Instandsetzung nicht aufgebracht werden konnten. Dadurch büßte der Stadtteil Berlin-Buch wertvolle Gebäude ein, die lange Jahre ein zentrales Stück seiner Identität und Geschichte waren.

Ab 1981

Vom Künstlermekka zum Kleinod

1981 übernahm das „Büro für architekturbezogene Kunst“ das Stadtgut. In den bisherigen Gebäude, neuen Atelier- und Werkstattkomplex sowie im Freigelände wurden zeitweise bis zu 40 Künstler beschäftigt, die Auftragswerke zur architekturbezogenen Kunst gestalteten als auch im eigenen Auftrag bildkünstlerisch tätig wurden. So dienten die Großateliers u.a. zur Vorbereitung vieler Kunstaktionen und Durchführung der Berliner Kunstausstellungen am Fernsehturm.

Die Wende 1989/1990 stellte auch die Zukunft und Finanzierung des zum Künstlerhof avanciert Stadtguts in Frage. Nach Bemühung und finanzieller Zusicherung des Berliner Senats übernahm 1994 die Akademie der Künste das Stadtgut. Als Künstlerhof diente das Stadtgut weiterhin Künstlern als Arbeitsplatz und Ort zur Realisierung künstlerischer und kultureller Veranstaltungen u. a. den Weihnachtsmarkt und das Osterfeuer. 2003 wurde der Hof jedoch nach langwierigen Finanzierungsschwierigkeiten vom Liegenschaftsfonds Berlin übernommen, verwaltet und vermarktet.

Ende 2009 kaufte die COMBAG AG den ehemaligen Gutshof und revitalisiert ihn seitdem sukzessive behutsam und denkmalgerecht, wie den zuvor sanierten Ludwigpark in Berlin-Buch. Ein weiterer Schritt ist die Umbenennung in Stadtgut Berlin-Buch nach historischem Vorbild. Der Künstlerhof ist dadurch eine Einrichtung im Stadtgut Berlin-Buch geworden Im Mittelpunkt der geplanten Nutzungen stehen weiterhin Handwerk, Gewerbe, Kunst, Kultur und Soziales. Heute beherbergt das Stadtgut neben den Ateliers des Künstlerhofs und diversen Gewerbetreibenden auch das Hotel Stadtgut Berlin-Buch, das Restaurant Künstlerhof und die Feste Scheune als Veranstaltungsort.

Lageplan des Hofes

Bau- und nutzungs­geschicht­liche Entwicklung des Stadt­guts Berlin-Buch

Aus einem bescheidenen Rittergut des 14. Jahrhunderts entwickelte sich ein repräsentativer Adelssitz mit Schloss, Gut und Ländereien zu einem künstlerischen Kleinod, von welchem die Geschichte Buch ausgeht und das diese maßgebliche prägte.

Das Stadtgut Berlin-Buch hatte bereits 1760 annähernd das rechteckige Erscheinungsbild mit einem von Gebäuden eingefassten Hof, entsprechend dem heutigen. Die gegenwärtigen Ziegelsteinbauten sind typisch für das 19. Jahrhundert und stammen nahezu alle baulich-gestalterisch aus diesem aber wurden umfassend saniert.

Das Ensemble aus Inspektoren-/Gutshaus (4) sowie Taubenturm (2) Kleintierstall (3), gelten als älteste bestehende Gebäude und wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet. Das Gutshaus, welche Anfang des 19. Jahrhunderts eingeschossig errichtet wurde, erhielt um 1850 einen Anbau sowie ein Obergeschoss, wie noch unschwer erkennbar. Im Erdgeschoss des Gutshaus befand sich eine Küche mit Backofen, Räucherkammer sowie ein Speisesaal. Das Obergeschoss beherbergte die Wohn- und Verwaltungsräume des Gutsverwalters. Die dem Schlosspark bzw. dem ursprünglichen Schloss zugewandte Fassadenseite ist geschmückt durch ein Eingangsportal mit neogotische Spitzbogenblende und Rundfenster. Als einziger der Berliner Stadtgüter ist der Taubenturm auf dem Stadtgut noch erhalten, wurde jedoch 1980 abgerissen und originalgetreu aufgebaut. Seine konisch zum First zusammenlaufende Bauweise gilt als eher unüblich.

Weitere Gebäude wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet. Im Gesindehaus (9) waren Arbeiter zur Bewirtschaftung des Guts und Schlosses untergebracht sowie eine Wäscherei (8) angegliedert. Das Gesindehaus wurde erst 1900 aufgestockt. Die Großtierstallungen (5), erkennbar an den vorhanden Replikaten der Zierdekoren mit Tierköpfen, dienten als Pferde- sowie Rinderstall. Die Wirtschaftlichkeit des Guts ist vor allem an seinem Speicher (6) erkennbar, welcher über eine Molkerei und einen Eiskeller verfügte. Gegenwärtig beherbergt er das Hotel. Dieser Speicher wurde wie das Spritzenhaus (15), die Schmiede und Stellmacherei (12) Ende des 19. Jahrhundert gebaut und zeigen zudem die typischen angesiedelten Handwerke, welche auf dem Gut benötigt wurden.

Letztere ursprünglich freistehenden Gebäude wurden 1980 miteinander verbunden und bilden seither eine geschlossen Front zur Straßenseite.

Die längliche Scheune (10), dem Hof quer längs, wurde Anfang 1900 errichtet und dient mittlerweile als Eventlocation. Die Schnapsbrennerei wurde hingegen 1950 abgetragen und anstelle derer 1980 das Heizhaus (11) errichtet. Die Tenne (14), welche erst 2009 als Verbindungsbau zwischen Scheune und Speicher mit Glasfronten geschlossen und das Gut um ein Restaurant ergänzt, wurde wie der Schober (8) und das Pförtnerhaus(1) Mitte des 20. Jahrhunderts errichte, als das Stadtgut als Volkseigenes Gut zum landwirtschaftlichen Ertrag er DDR beitrug. Weitere Gebäude, wie das Großatelier (13) wurden als Fertigteilbau in Auftrag gegeben, um neben den zu Ateliers avancierten historischen Bauten weitere Flächen für Künstler zur Vorbereitung vieler Kunstwerke im Rahmen des „Büros für architekturbezogen Kunst“ zu schaffen. Das den Hof prägende Feldsteinpflaster, wurde bei archäologischen Sondagen entdeckt und anschließend freigelegt sowie neu gepflastert.

Seit 2009 wird das Stadtgut durch den neuen Eigentümer Combag AG behutsam und denkmalgerecht saniert und revitalisiert. Derzeit beherbergt das Stadtgut Berlin-Buch Gewerbetreibende aus verschiedenen Bereichen, Soziale Träger, Künstler, ein Hotel, Restaurant sowie eine Eventlocation und vereint dabei historische Architektur, künstlerisches Handwerk sowie herzliche Gastfreundlichkeit.